Wie schwierig ist eigentlich Content Marketing?

Melanie Mandl

Content Marketing ist das Wort der Stunde. Dabei ist Content Marketing weder neu noch schwierig.

Die besten Content Marketer sind wahrscheinlich gerade unterwegs und betreiben bestes (Content-)Marketing ohne es zu wissen. Weil sie es nicht so nennen, sondern einfach teilen, wofür sie leben und wofür sie stehen. Sie erzählen ihren Kunden, warum sie ihre Arbeit so machen und nicht anders. Wieso sie in der neuen Küche eine Armatur vom Fachhändler und nicht aus dem Baumarkt empfehlen. Wieso die Kundin beim Fototermin nächste Woche ein helles und kein schwarzes T-Shirt tragen sollte, was den Dampfgarer so genial macht, was die Familie an diesem verregneten Urlaubstag in der näheren Umgebung unternehmen könnte, mit welcher Versicherung sich das junge Paar am besten absichert …

Sie geben ihr Wissen in einer Art und Weise weiter, die dem Gegenüber das sichere Gefühl gibt, beim Richtigen gelandet zu sein. Sie dozieren nicht, sondern erzählen – von ihrer Erfahrung, ihren Erlebnissen – geben Anregungen, sorgen dafür, dass die Mundpropaganda funktioniert. Auf natürliche, authentische Weise. Sie überzeugen durch Inhalt. Und nichts anderes macht Content Marketing. Content Marketing versucht, durch Inhalte Kunden anzusprechen, positive Bezugspunkte zu knüpfen, den Kern einer Marke erlebbar zu machen und so eine Bindung zu schaffen.

Content Marketing ist also nicht Revolutionäres. Aber es ist etwas, das immer wichtiger wird. Aus ganz einfachen Gründen:

  • Kommunikation und Marketing verlagern sich immer mehr ins Internet.
  • Das Internet ist ein freier Raum. Die Nutzer bewegen sich dorthin, wo es ihnen gefällt. Es gefallen: nützliche, wertvolle, unterhaltende Inhalte.
  • Google muss, um das WWW weiter beherrschen zu können, immer schlauer werden und immer besser einordnen können, was interessant ist. Das gelingt auch. Google erkennt, wenn Texte einfach kopiert werden; das Unternehmen hat sich eine Methode patentieren lassen, mit der sie den Schwafel-Gehalt eines Textes misst, und generell werden nicht mehr nur einzelne Worte, sondern die Bedeutung ganzer Phrasen verstanden.
  • Weil sich Kunden nicht gerne für dumm verkaufen lassen.

Seth Godin sagte, kurz nachdem man ihn zum ersten Mal mit dem Ausdruck Content Marketing konfrontierte, der ihm bis dahin noch gar nicht bekannt war: „Content Marketing ist the only marketing left.“

Content Marketing beginnt im Kleinen

Meist wird in Bezug auf Content Marketing von den „großen“ Beispielen gesprochen. Coca Cola und Red Bull gehören zu den Klassikern. Diese Unternehmen sind zu richtigen Medienunternehmern geworden (die im Gegensatz zu den „richtigen“ Medienunternehmern mit der Content-Produktion aber nicht ihr Geld verdienen müssen). Sie haben ihre eigenen Magazine, beschäftigen ganze Redakteur-Teams.

Content Marketing beginnt aber, zumindest nach meiner Auffassung, schon im Kleinen:

  • bei „ganz normalen“ Website-Texten zum Beispiel
  • wenn man bei der Konzeption etwas mehr an den Kunden und seine Interessen, und etwas weniger an die eigenen Slogans aus der Werbebroschüre denkt.
  • wenn man es wagt, mehr nach innen und weniger nach außen zu schauen. Wenn man sich nicht zu sehr damit beschäftigt, wie es die anderen machen, sondern darauf, wie es für das eigene Unternehmen stimmig ist und so zu einer Linie findet, die sich von den anderen abhebt.
  • Wenn man Einblicke gewährt und zu erzählen beginnt.

Warum es dann oft doch nicht klappt

Aber das alles ist dann oft doch nicht so einfach. Nicht, weil keine Inhalte vorhanden sind, oder Content Marketing so komplex ist, sondern weil es die besten Inhalte oft nicht schaffen, publiziert werden.
Und das hat unterschiedlichste Gründe. Die häufigsten sind meiner Erfahrung nach:

Verkannte Storyteller und unentdeckte Beststeller

Die besten Storyteller sehen sich oft nicht als solche. Sie sind mit etwas ganz anderem beschäftigt, kümmern sich um das echte Geschäft und begeistern dabei die Kunden. Gehen Sie einmal mit wachem Auge und wachen Ohr durch Ihr Unternehmen (oder beauftragen Sie jemanden, der dafür ein gutes Gespür hat): Welche Ihrer Mitarbeiter kommen bei den Kunden besonders gut an? Könnte man deren Know-how, deren „Schmäh“ nicht vielleicht auch für das Content Marketing nutzen? Worüber wird in der Zigaretten- oder Kaffeepause und beim informellen Mittagessen geplaudert? Sind da nicht auch Themen dabei, die für den Unternehmensblog interessant wären? Finden Sie einen Weg, Ihre Storys (die es garantiert gibt!) nutzbar zu machen.

Zwangsverpflichtung

Das gewisse Etwas, das geniale Redner, beliebte Kundenbetreuer und begnadete Verkäufer ausmacht, verebbt sehr oft, wenn man sie dazu zwingt, Inhalte zu Papier zu bringen. Der einzige Ausweg ist, sie nicht dazu zu zwingen. Erstens: Es muss nicht alles verschriftlicht werden (Es können auch Videos, Audio-Files oder Cartoons online gestellt werden). Zweitens: Denken Sie wie ein Medienunternehmer (Content Marketing ist Journalismus auf Unternehmensebene). Sie brauchen jemanden, der die Storys einfängt und aufbereitet. Der geniale Redner, beliebte Kundenbetreuer und der begnadete Verkäufer sind die, die gute Storys liefern können, aber sie müssen nicht die sein, die den Inhalt aufbereiten. Das sollten andere machen. Das führt direkt zum nächsten Punkt:

Zeitmangel

Content Erstellung kostet Zeit. Das stimmt. Aber sie kostet weniger Zeit, wenn man sie jemanden übergibt, der es gerne macht. Der Story-Lieferant muss nicht der Story-Schreiber sein. Auf jeden Fall braucht es jemanden, der sich dafür zuständig fühlt, dass regelmäßig Inhalte publiziert werden, sonst wird sich niemand die Zeit dafür freischaufeln. Es braucht eine Redaktionszentrale, die die Themen im Überblick behält, Termine vorgibt und die Qualität sicherstellt.

Kastl-Denken

Content-Produzenten sind die firmeninternen Verkaufsfloskeln oft schon in Fleisch und Blut übergegangen. Sie denken wie Werber, nicht wie Journalisten. Geben Sie Ihren Redakteuren die Erlaubnis, journalistisch zu denken. Erlauben Sie auch Themen, die nicht unmittelbar mit Ihren Produkten in Zusammenhang stehen. Im Ikea-Magazin gibt es im Oktober z. B. einen Artikel übers Einmachen. Das hat nichts mit Möbeln zu tun. Und der Text deutet mit keinem Wort an, dass man dazu eine Ikea-Küche oder Ikea-Geschirr bräuchte. Der Artikel liefert Inspiration zum Thema Leben/Wohnen und damit den perfekten Rahmen für Ikea-Produkte, die allerdings nicht als einzig mögliche Lösung präsentiert werden.

Paste & Copy

Manchmal ist es schlecht, dass googeln so einfach ist. Zu jedem Thema hat irgendjemand schon einmal etwas geschrieben, das man wunderbar kopieren kann. Das rächt sich aber, weil Leser und Google nicht dumm sind, und den Kopierer früher oder später abstrafen.

Angst

„Warum soll der Kunde für meine Leistung bezahlen, wenn ich mein Know-how gratis ins Internet stelle?“ Aus Angst, Wissen zu teilen, werden die besten Themen oft gar nicht angegriffen. Content Marketing funktioniert aber nur, wenn man bereit ist, zu geben. Auch gratis. Aber nicht umsonst. Im Gegenzug erhält man Kontakte, Aufmerksamkeit, Vertrauen und Business-Chancen.

Zu hohe Ansprüche

Der große Vorteil des Internet, dass es frei verfügbar und die Inhalte von jedem gelesen werden können, kann zu einem großen Hemmnis werden: „Hilfe! Jeder wird diesen Artikel lesen, alle werden dieses Video sehen!“ Dadurch entsteht ein Druck, der Kreativität verhindert. Lösen Sie sich von der Vorstellung, für ein Millionen-Publikum zu publizieren. Sie müssen nicht allen gefallen. Sie müssen den Richtigen gefallen. Und das passiert, wenn Sie authentisch bleiben, frei von der Leber schreiben, über Themen, die für Sie und Ihre Kunden von Bedeutung sind. Lassen Sie sich von keinem Kommunikationskonzept, keiner Sprachregelung oder sonstigen Regeln einschränken. Erzählen Sie drauf’ los. Überarbeiten kann man immer noch. Und das kann dann auch jemanden übernehmen, der sich mit Kommunikationskonzepten, Sprachregeln u. ä. beschäftigt. Lösen Sie sich von allen Regeln, die Sie gelernt haben, und vertrauen Sie Ihrer Geschichte.