Plädoyer gegen das Hackl im Kreuz
Marcus Mandl
Wir sind gerade aus England zurück – vom Digital Podge, einem internationalen Agenturtreffen, zu dem uns Phil Jones eingeladen hat (Danke, Phil!).
Nur zwei Agenturen aus Österreich waren dabei. Ich frage mich, ob das vielleicht auch etwas mit dem Stil zu tun hat, wie Agenturen hierzulande miteinander umgehen. Klar, man trifft sich, man tauscht sich aus, aber es ist oft ein verhaltener Austausch, bei dem vieles schöngefärbt wird. Da hat jeder die besten Kunden und die schönsten Mitarbeiter. Zahlungsmoral der Kunden? Auftragslage? Alles Bestens! Jetzt in London ist mir wieder einmal klar geworden: Es geht auch anders. Netzwerktreffen können auch von Ehrlichkeit geprägt sein. Und das bringt allen mehr.
Der Podge ist in erster Linie ein gemütliches (und ausgiebiges) Zusammenkommen. Man trifft sich zu Mittag zum Lunch und trennt sich in den frühen Morgenstunden des nächsten Tages. Kein aufwändig inszeniertes Programm, keine Reden, keine Selbstbeweihräucherungen. Einfach Essen, Trinken und mit Leuten sprechen, die auf derselben Ebene im selben Business arbeiten. Die mit denselben Problemen kämpfen. Die logischerweise im selben Gewässer fischen und alle im Geschäft etwas weiterbringen wollen. Denen aber auch klar ist: Am meisten bringen wir weiter, wenn wir uns unterstützen und uns nicht gegenseitig „das Hackl ins Kreuz hauen.“
Nach der Hälfte des Lunch werden Plätze getauscht.
In den Anfängen, vor über 20 Jahren, fanden die Treffen bei Phil Jones zu Hause statt. Er ist Designer und wollte sich mit Leuten umgeben, die ebenfalls kreativ tätig sind. Er kochte und man schlug sich gemeinsam den Bauch voll (daher der Name: Podge, engl. = Bäuchlein, Dickerchen). Mittlerweile finden die Treffen außerhalb statt, denn der Podge ist gewachsen – auf 250 Gäste; seit 2003 gibt es auch einen eigenen Digital Podge für die digitale Szene.
Wir haben Kontakte geknüpft, Kooperationen angedacht, uns über Mitarbeiterführung, Akquise und Unter-nehmenskultur unterhalten. Wir haben von Erfolgen gehört, aber auch von Misserfolgen. Und meist sind es die Fehler, von denen man am meisten lernen kann.
Von diesem Geist des offenen Austausches wollen wir uns etwas mitnehmen. In punkto Zusammenarbeit und Fehlerkultur ist man „drüben“ auf jeden Fall weiter als bei uns. Unserer Neidgesellschaft würde es ganz guttun, bei den Netzwerktreffen etwas mehr Ehrlichkeit und Lockerheit einziehen zu lassen.
Vor und nach dem Podge besuchten wir Agenturen, die wir bereits im Frühjahr beim Digital Podge in Wien kennengelernt hatten. Auch hier tauschten wir uns aus. Auf fachlicher Ebene beeindruckten uns die kreativen Leistungen in Hinblick auf User Experience – z. B. mit gewagteren Storyboards. Aber auch die Stimmung und die Gespräche mit den Teams und Agenturchefs waren inspirierend.
Was wir uns mitgenommen haben:
- Tapetenwechsel tut gut
- über den Tellerrand schauen tut gut
- ehrlicher Austausch bringt allen etwas
- Es gibt genug für alle