Man sieht immer noch fern – aber eben nicht mehr nur
Daniel Marx
Wer Zuhause auf der Couch vor dem Fernseher sitzt, widmet sich immer weniger ausschließlich dem großen TV Bildschirm.
Längst haben “Second Screens” in unsere Wohnzimmer Einzug gehalten. Sprich Smartphones, Tablets oder Laptops, die parallel zum Fernsehen genutzt werden.
Bereits 77% der Internetnutzer in Deutschland gaben in einer BITKOM Studie an, neben dem Fernsehen auch online unterwegs zu sein. Eine Studie des Satellitenbetreibers Eutelsat geht davon aus, dass in spätestens fünf Jahren 80% aller Fernsehnutzer parallel auch das Web nutzen.
Man surft im Netz, checkt E-Mails oder kommuniziert mit Freunden und Followern. Da wird gegooglet, wo dieser eine Schauspieler noch überall dabei war, die Antworten der Millionenshow werden recherchiert oder man tauscht sich via Twitter über den aktuellen #tatort aus.
Welchen Impact das TV-Programm im Web haben kann, zeigt etwa Martin Rycak hier anhand der Zugriffszahlen eines Abends auf die deutsche Wikipedia.
Parallele Werbeschaltung soll Aufmerksamkeit sichern
Auf den ersten Blick hat unter der neuen „Nebenbeschäftigung“ die TV-Werbung zu leiden. Denn nutzen die Zuseher nebenbei einen Second Screen, so sinkt die Aufmerksamkeit für die TV-Werbung laut einer deutschen Studie um 58 Prozent.
Dem will man entgegenwirken, indem man einfach auch auf dem Second Screen synchron Werbung, etwa in Form von Bannern, schaltet. Dadurch kann die Aufmerksamkeit wieder erheblich gehoben werden, meint jedenfalls das Markforschungsinstitut TNS Infratest.
Funktionieren könnte dies vor allem auch, weil durch die intensive Beschäftigung mit dem Second Screen viele Nutzer auch in Werbepausen nicht mehr wegzappen, wie SevenOneMedia in einer Studie im August herausfand.
Das Problem bisher ist allerdings, dass die meisten Second Screen Aktivitäten gar keinen Bezug zum Programm haben. Heißt, was im TV läuft, ist dem User eigentlich ziemlich egal, die Konzentration gilt irgendwann ausschließlich dem zweiten Bildschirm.
Der Second Screen wird zum First Screen
Oft nutzen User den Second Screen tatsächlich, um sich näher über etwas aus dem TV zu informieren, bleiben aber dann auf dem Second Screen „hängen“ und verfolgen das ursprüngliche Programm nicht länger. Das Fernsehen gibt also den Anstoß für die Recherche im Web, kann aber den User dann aber nicht mehr weiter fesseln.
Sender und Werbetreibende müssen sich anstrengen
Um das Second Screen Phänomen besser für sich zu nutzen, müssen Sender und Werbetreibende den User hier viel mehr einbinden und ihm mehr auf dem zweiten Bildschirm bieten. Das Programm alleine scheint nicht mehr spannend genug zu sein, sonst würde der Zuseher nicht nach einiger Zeit anfangen, gleichzeitig seine E-Mails zu lesen.
USA haben die Nase wieder einmal vorn
Während in den USA schon teilweise ausgefeilte Apps für das zusätzliche Gerät zum Einsatz kommen, tastet man sich im deutschsprachigen Raum noch langsam vor. So bietet etwa die ProSieben Connect App lediglich eine Chatfunktion, kleine Videozusammenschnitte verschiedener Formate und die Möglichkeit des Eincheckens in laufende Sendungen. Echter Mehrwert für die User sieht anders aus.
Besser machen es schon Anwendungen, wie die Ski Weltcup App des ORF, die mit zusätzlichen Informationen, hier etwa Steckbriefe der Fahrer und Facts zu den Strecken, aufwarten.
Wer versteht, wie unterschiedlich die Geräte genutzt werden, und wie sich die Kanäle ergänzen können, hat die Chance, die User wieder zu fesseln und ihre (un)geteilte Aufmerksamkeit zu haben.