Big Data soll die Zukunft voraussagbar machen

Daniel Marx

Supermarktketten wissen mittlerweile relativ sicher, ob eine Kundin schwanger ist, und wenn ja, in welcher Schwangerschaftswoche. Jedenfalls, wenn sie bei jedem Einkauf ihre Vorteilskarte vorgezeigt hat. Denn dann kann ihr Kaufverhalten nach typischen Schwangerschaftsprodukten durchsucht werden, und es können ihr personalisiert weitere Angebote zugesandt werden.

Vorteilsclub-Karten an der Supermarktkassa sind ein mächtiges Tool. Sie dienen der Erfassung des Kaufverhaltens jedes einzelnen Kunden. Und das Beispiel oben zeigt, was allein mit diesem einen Datensatz möglich ist.

Im Internet aber hinterlassen wir noch mehr Spuren. Weil unsere Lebens- und Arbeitswelt zunehmend digitalisiert wird, ist heute praktisch alles irgendwie messbar. Eine gewaltige Menge an Daten wird tagtäglich produziert. Unglaubliche 2,8 Zetabyte an Datenvolumen sollen 2012 weltweit produziert worden sein (Quelle: Spiegel, 20/2013). Und täglich werden es mehr. Produziert von Mensch und Maschine. Durch Interaktion und Kommunikation, Apps, Kameras, Sensoren usw. Mittlerweile geht man davon aus, dass sich die Datenmenge alle fünf Jahre verzehnfacht.

Vorhandene Daten nutzbar machen

Diese Daten sind also da. Sie nun auch sinnvoll zu nutzen, ist die große Herausforderung die jetzt ansteht. Daten werden als der Rohstoff der Internet-Gesellschaft gehandelt. Das Gold, das Öl des 21.Jahrhunderts.
Und „Big Data“ ist der Begriff, der die Nutzung dieser Daten beschreibt.

Was bisher Unternehmen mit riesigen Serverfarmen, wie Google, Amazon oder Facebook, vorbehalten war, wird dank immer leistungsfähigerer Technik auch für andere Akteure möglich.

Das Ziel von „Big Data“ besteht eigentlich immer darin, einen bestimmten Prozess mit den gewonnenen Daten zu optimieren, bzw. vorhersagbar zu machen.
Durch statistische Wahrscheinlichkeiten und Korrelationen soll der Zufall ersetzt, oder zumindest auf ein Minimum reduziert werden. Es geht darum, Nutzungsmuster zu erkennen, Simulationsmodelle bereitzustellen und so die Zukunft vorauszusagen.

Zu diesem Zweck müssen möglichst viele relevante und qualitativ hochwertige Daten erfasst oder gesammelt und zusammengeführt werden.
Wichtig ist hier vor allem die Relevanz der Daten. Aus Big Data muss durch die intelligente Kombination durch Algorithmen Smart Data werden – aussagekräftige Daten, die zu einem konkreten Feedback führen. Und das in Echtzeit.

Vorbild ist hier natürlich der Internetriese Google, dessen äußerst erfolgreiches Geschäftsmodell ja aus dem Sammeln, dem Auswerten und der Monetarisierung der durch die eigenen Dienste erhobenen Daten besteht.

Anwendung in allen Bereichen

Anwendungsgebiete für die Nutzung von Big Data finden sich überall: Klassische Industriebetriebe können Fertigungsprozesse optimieren, Dienstleister oder Händler in Echtzeit Marktanalysen durchführen und gezielte Marketingaktionen durchführen, Handelsbetriebe im Einkauf schnell auf veränderte Bedingungen reagieren. Aber auch die moderne Medizin, Wissenschaft, Behörden usw. setzen Big Data ein.

US-Polizei Behörden nutzen schon jetzt Big Data, um Orte und Zeiten, an bzw. in denen eine signifikante Häufung an Straftaten auftritt, besser zu überwachen.
Unternehmen müssen beim Einsatz von Big Data im Bereich Kundenbeziehung aber wohl auch aufpassen, dass sich Kunden nicht zu sehr “ausgespäht” vorkommen.

Big Data = Big Brother?

Big Data ist aber auch ein zweischneidiges Schwert. So viele Chancen es bietet, so viele Risiken birgt es auch.

Grundsätzlich einmal stellt sich die Frage nach dem Besitzrechten an den eigenen Daten. Datenschützer fordern, dass neu definiert werden muss, was alles zu den persönlichen Daten zählt, und und von wem diese Daten, in welcher Form (z. B. nur anonymisiert) und in welchem Ausmaß genutzt werden dürfen.
Es geht um die Entwicklung sowohl eines neuen Datenrechts, als auch einer neuen Datenmoral.

Der zweite Punkt ist, dass man mit der totalen Datenerhebung auch ganz schnell bei einer totalen orwell’schen Überwachung ist. Nicht nur von Kunden, sondern auch von Bürgern. Es droht damit die totale Kontrolle, die totale Steuerung der Gesellschaft unter einem technokratischen Regime.
Schon jetzt ist beängstigend, was Unternehmen über uns wissen („Google owns us all“), aber die Überwachungsfantasien der Politik stehen schlimmsten Dystopien in nichts nach.

Big Data wird zum Muss

In jedem Falle steigt die Menge an verfügbaren Daten mit jedem Tag weiter an. Vom Smartphone, über soziale Daten bis hin zum smarten Stromzähler produzieren wir Daten. Unternehmen aus allen Branchen müssen sich in naher Zukunft mit dem Thema Big Data auseinandersetzen, um einerseits vorhandene Daten nicht ungenutzt zu lassen, und andererseits auch nicht im Datenchaos unterzugehen.
Wer sich frühzeitig Big Data betreiblich zu Nutze machen kann und sich strategisch mit Datenmanagement und Datenanalyse auseinandersetzt, kann auf jeden Fall wettbewerbsfähiger werden.
Noch sind nur wenige Unternehmen dafür ausgerüstet, das Tempo, mit dem die Mengen, die Vielfalt und die Geschwindigkeit von Daten zunehmen, zu ihrem Vorteil zu nutzen. Doch das wird sich schon in naher Zukunft ändern (müssen).